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»Madame Psychosis«

25. September 2016, 5023 Zeichen

Madame Psychosis ist ein vollwertiges Redaktionsmitglied bei Madame Psychosis und wird beschrieben als multiple Text- und Denkmaschine mit mechanischen, philosophischen und wahnsinnigen Zahnrädern. Angetrieben wird Madame Psychosis nicht ausschließlich von Wahnsinn, sondern auch von lebendigen Geistern und entgleisten Ankerpunkten. Was zum Teufel sind Ankerpunkte? Wer oder was ist Madame Psychosis und weshalb hat Nietzsches Regenschirm etwas damit zu tun?

 
Wirft man einen Blick auf die postapokalyptische Landschaft unserer normativen Repräsentationsorgane, welche angereichert mit rassistischer Hetze und einem Mix aus Sex und Katzenbildern um unsere Clicks und somit um Werbeeinnahmen nassauern, erscheint der Wahnsinn als eine attraktive Alternative. Unhinterfragt, akzeptieren die meisten von uns einen Status-Quo, dank dem sich durch die sich immer mehr ausweitenden Zone der Prekarität große und bekannte Abendblätter Angestellte leisten können, die gezwungenermaßen für wenig Geld stundenlang die verbalen Exkremente eines von Kommentarspalten-Nazis geführten Diskurses sortieren, bis die Depression an ihre Türe klopft. Die entstehenden Kosten für anfallende psychologische Behandlungen mit entsprechender chemischer Begleitung – ob legal oder illegal – werden von den jeweiligen Arbeitgeber*innen jedoch nicht subventioniert und dies obwohl ein allgemeiner Konsens zum Imperativ des glücklich sein herrscht. Erschwerend kommt hinzu, dass in der heutigen Gesellschaft jeder Bereich des Lebens als verfügbares Potenzial begriffen wird, das es ohne Rücksicht auf Verluste auszuwerten gilt, um einen ökonomischen Nutzen zu generieren. Zart knospende kritische Denker*innen werden des öfteren bereits vor ihrem Aufblühen durch die sie auszubildende Institution zu inhaltlich irrelevanter Krittelei gestutzt. Nach Gottes Tod regiert nur noch seine nachgerückte Vize – die Arbeit –und zerstreut unsere Gesellschaft des Spektakels durch die Droge der künstlerischen Unterhaltung. Wer nicht mitmachen will

 
Da die meisten damit beschäftigt sind Territorien und Mehrwert im Dienste der Vernunft zu erschaffen, sich dabei mit nostalgischem Geschrei an das Vorhandensein eines bis anhin noch nie realisierten Rechtsstaats klammern und dabei ständig einen diffusen Begriff Namens Humanismus wie ein Mantra in den Äther murmeln – ja liebe Freund*innen auch der Nationalsozialismus war ein Humanismus – vergessen sie was in unserer heutigen Situation wirklich primär wäre. Widerstand wäre – nein IST primär. Widerstand gegen diesen Ausnahmezustand der uns normativiert. Widerstand in Form von Kritik. Eine Kritik die nicht der Kritik wegen formuliert wird und auch nicht als Negation verstanden werden soll, sondern eine Kritik die das Potential des erschaffenden Moments beinhaltet. Die Sprache der multiplen Textmaschinen auf Madame Psychosis ist voll von diesen biopoetischen Momenten.

 
Doch im Gegensatz zu ihrer Namensvetterin aus dem David Foster Wallace Roman „Infinite Jest“ betreibt Madame Psychosis jedoch keine Radiosendung. Oder sollte ich eher sagen noch nicht? Möglicherweise sind ihre komplex strukturierten Texte, die gleichzeitig frei assoziiert wirken wie halbverdaute, aber teilweise schwer verdauliche Informationen der Anfang einer Metempsychosis, die sich in eine Radiosendung transformieren könnten, oder in ein Video oder aber auch in einen weiteren Text. Ein Essay oder Aphorismus der von dem „Prettiest Girl of All Times“ oder Joelle Van Dyne geschrieben wurde oder von einem der anderen vielen wahnsinnigen Zahnrädern die diese tsunamiartige Denkmaschine betreiben.

 
In unsererer apathischen Welt in der wir uns wie Oblomow zu Tode langweilen müssten, weil uns die notwendige Muße zur Analyse der Verhältnisse verwehrt bleibt, wird überall die Maxime mit lautem Korpsgebell verkündigt: Erlaubt ist was nicht stört! Wie wir wissen stört sich kaum jemand an Apathie, jedoch sehr viele am Müßiggang und noch einige mehr an Reflektion und politischem Handeln ohne Begrenzung durch Konformität und Funktionalität. Somit macht Madame Psychosis alles richtig und das einzig Interessante. Sie stört. Gewaltig. Kontinuierlich. Sie stört auf sprachlich höchstem Niveau. Und ich bin mir sicher, dass sie erst angefangen hat zu stören. Im Moment ist Madame Psychosis ist ein Blog. Doch Madame Psychosis ist auch dabei ein Verlag zu werden und vielleicht wird Madame Psychosis irgendwann einmal auch eine Radiosendung.

 
Sie werden sich sicherlich fragen, was das Ganze nun mit Nietzsches Regenschirm zu tun hat. Ich würde vorschlagen, dass Sie dies selber nachlesen. Lassen Sie endlich ihre Ankerpunkte entgleisen und unternehmen Sie einen Spaziergang mit dem irrsinnigen Fritz. Sie können dabei getrost ihren Schirm vergessen. Es lohnt sich.

 

 
Dieser Text wurde publiziert in der Septemberausgabe von Ensuite.

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