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«Sous l’empire, de la colère…»

24. April 2016, 3851 Zeichen

Eine fabulöse Derivation durch den wüstesten aller faradayschen Käfige, und Unkenrufe eines kommenden Aufstands im Kreativ-Zoo.1
Will man zur Vorlesungsreihe «Sub-Commune» ein Feedback (zurück-futtern) schreiben, müssen einige Worte zur Situierung ebendieser vorangeschickt werden. Die Vorlesungsreihe, die jeder Uni gut anstehen würde, findet nicht in einer solchen statt, sondern an der Kunsthochschule in Zureich. Genau genommen stimmt auch dies nicht ganz, denn im großen kreativen Toni-Areal gibt es eine kleine unbeugsame Vertiefung, die nicht aufhört, den hässlichen Moden aus Bologna Widerstand zu leisten. Und genau da spielt die Geschichte. Doch ist die Zeit der gallischen Dörfer bald vorbei; das Imperium Bolognarum dekretiert eine Reform, welche künftig in Form von Provinzen größere Landstriche bündelt, wobei Bund immer Einheit erzwingt, wo eigentlich gar keine sein kann. Passend dazu auch die erwartbaren Schafsmetaphern gegenüber jeglichen Meldungen, dass die geplante Praxis nicht goutiert werde. Die Herden müssen einfach in der baldigen Sommerhitze in die kühlen Provinzhauptställe getrieben werden, gibts da zu Fressen und Saufen, werden die sich das vielstimmige Geblök schon abzugewöhnen wissen – ein volles Maul blökt nicht gern.
Doch wurde dekretiert, dem Vieh der Vertiefung Theorie die Rationen zu streichen. Da Theorieschafe den Ruf haben, kräftig in die heugebenden Hände reinzubeißen, erscheint dies der Menge des Restviehs aus moralischen Gründen gar nicht so unverständlich. Item, statt in Trauergeblök hinsichtlich der bevorstehenden Dürreperiode zu verfallen, beginnen die Feinschmecker*innen der Theorie Rezepte auszutauschen und Feste zu feiern. Damit die anderen Herden nichts von dieser anarchischen Praxis mitbekommen, versucht das Imperium diese einfach totzuschweigen: Feste sind künftig keine geplant, also gibt man vor, dass solche gar nicht möglich sind. Womit die ungesättigte Bissigkeit der abnormalen Bande in fataler Heftigkeit verkannt wurde: geklautes Heu der anderen Schafe schmeckt ungeheuerlich, und saufen tut die Bande ohnehin im Keller des Imperators.
Höhnisches Gelächter vernimmt man schon bald von einem ankommenden Schiff aus Übersee: auch die geladenen Gäste der Festlichkeiten sind keine Kinder von Traurigkeit. Die Theorieherde auflösen? Viel Vergnügen damit. Eine Herde war dies eh niemals. Blökt das eine Tier in einem Anfall von Überschwang zum Appell, grasen die einen lustvoll weiter, andere blöken empört zurück und wieder andere fliehen was das Zeug hält in Richtungen, die es vorher gar nicht gab. Theorie war, ist und bleibt die Bezeichnung für etwas, das kaum dem Laderaum entflohen, beginnt sich unter das Gemeinsame zu mischen, dieses in stetiger Flüchtigkeit zu durchqueren, aufzumischen, reinzublöken, abzuhauen um woanders anzugreifen, allen Versuchen der Marginalisierung zum Trotz. Feste die die Welt bedeuten sind ihr spezifisches Medium, der brummende Katzenjammer tags darauf macht schönere Musik als «keine Feier». Theorie ist Theorie ist Theorie ist Theorie, wie schon Toni wusste bevor er mit Oscar Tramor um den Block zog, und zu einer fast gestimmten Klampfe die ungewöhnliche Poesie der Undercommons in die Welt entließ: «Man nennt mich den Verschwindenden… Gehen ist mein Schicksal… Fliegend komme ich… Fliegend gehe ich…» Und Chavela schoss an ihnen vorbei, und bestätigte, mit großem Vergnügen die Freundin von Ganovinnen zu sein.

 

 

Das sind übrigens Hörner.

Hörner, btw.

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Das in scharfer Linkskurve nach unten zeigende Komma in der Betitelung ist entscheidend: bedeutet «sous l’empire de la colère» wortgetreu «unter der Herrschaft der Wut» oder sinngemäss «von der Wut gepackt», ersetzt das infame Satzzeichen ein verschlucktes «il y a» und erklärt, dass es unter dem Empire etwas Wütendes gibt. Manchmal ist das eine wirklich beruhigende Information.