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Denken im Noch-Nicht oder wie funktioniert Halbwissen.

21. April 2016, 3936 Zeichen

Das erste Kolloquium des Halbwissens ist gewissermassen vorbei, auch wenn es noch pochend Stösse abgibt, welche dessen zeitliche Abgeschlossenheit bezweifeln lässt. Ein para-akademisches Zusammentreffen, mit grosser Ernsthaftigkeit und ohne sich in einem Wissen zu suhlen. Es gab nichts zu überzeugen, nichts zu lernen, nichts zu lehren, nur Immanenz-Ebenen zu zeichnen, nachzuzeichnen, Begriffe, Affekte und Kartografien zirkulieren zu lassen. Kein Anspruch an ein ganzes Wissen, war gewiss die Devise, doch was das wirklich sein sollte, naja, das war gerade das, was nicht besprochen werden kann, sondern geschieht. Ich werde es trotzdem versuchen. Und damit in etwa die drei Thesen aufstellen, welche ich aber in diesem Rahmen als aufgestellt stehen lassen muss:

  1. Denken ist einfach
  2. Halbwissen bleibt Halbwissen
  3. Ernsthaftigkeit ist niemals individuell

Es gibt eine gewisse Angst vor den grossen Namen, den schweren Büchern, der Philosophie als Welterklärungsmaschine, was sehr viele davon abhält, sich zuzutrauen, auch theoretisch zu denken. (Selbstverständlich gilt dies gleichermassen für Wirtschaft, Börse, Politik und andere dubios «schwierige» Gebiete, in welche sich nur Experten und äusserst Mutige hintrauen) Doch je mehr, dass wir nach diesem schwierigen Zeug suchen, desto eher glauben wird, dass es gar nicht das gewesen sein kann, was wir jetzt angeschaut haben. Das Schwierige gibt es gar nicht und nicht darum, weil man es wirklich verstehen kann, sondern, weil entweder ist es unbrauchbar, somit uninteressant oder brauchbar und somit einfach. Damit möchte ich nicht sagen, dass das lesen von anspruchsvollen Texten nicht mühselige Arbeit ist, aber darum geht es nicht. Natürlich gibt es Hürden, wie disziplinarische Macht der Schulen, welche Elfenbeintürme oder Wolken erschaffen und nur noch eingeweihte mit richtigem Code etwas zu verstehen glauben. Die Bücher sind vielleicht genau das, schwierige Lektüre, furchteinflössender Autorinnen, welche man nur innerhalb ihrer Sphäre mit Leben füllen kann. Dies ist aber nicht denken, sondern eher buchhalterische Akademisierung. Denken findet im Dazwischen statt und damit meinen wir nicht ein pathetisches, postmodernes Dazwischen, das alles sein kann, sondern das was genau nie etwas ist. In einem Halbwissen, das niemals «Ganzwissen» werden kann. Das Halbwissen produziert gleichermassen Anti-Theorie, wie sie Theorie produziert und damit Anti- Theoretikerinnen und Theorikerinnen. Es ist das, dass jedes denkende Subjekt sich auf einer Immanenz-Ebene bewegt, sich denkend durch die Welt bewegt, immer schon Theoretikerin ist und somit der Begriff der Theorie so schillernd macht, dass er im Bereich des Denkens unbrauchbar geworden ist. Doch Halbwissen ist gerade nicht in einem individuell gedachten einzelnen Subjekt zu verorten, sondern immer im Dazwischen dessen, was man auch Maschine nennen könnte. Ein Denken, das aus Kopplungen und Entkopplungen besteht und immer kollektive Subjektivierungs- prozesse mit sich bringt. Somit ein Dazwischen, das nicht im Nirgend-Raum steht, sondern als der Akt des Zusammenschliessens ohne daraus Eins zu machen, ohne dadurch eine Übercodierung zu provozieren, ohne Hierarchie-Kämpfe des Wissens. Das Halbwissen bleibt Halbwissen, obwohl es im Werden ist, aber nicht im Werden zu Wissen sondern in der Mitte des Werdens ein Halbwissen-Werden. Die Voraussetzung sich auf ein Halbwissen einzulassen, würden wir mit Ernsthaftigkeit benennen. Die Ernsthaftigkeit, in welchem sich das Individuum in Gefahr befindet, aufgrund dessen, dass das Halbwissen das Individuum sich zerreissen lässt, in Bewegung bringt und es somit aus den Fugen wirft.

Wie die Metaphysik von Aristoteles deshalb Meta heisst, weil es das zweite Buch zur Physik ist, wird also das Meta-Kolloquium des Halbwissens nicht im Pantheon oder dem Geist stattfinden, sondern im März!

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