Angst vor Kritik?
Vor den Semesterferien war die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) mehrmals in den Medien. Meist fokussierte man sich in der Berichterstattung auf die versprayten Wände in den Gängen des Departements Kunst und Medien. In den Kommentarspalten wurde darüber diskutiert, ob dies nun ein Akt des Vandalismus oder künstlerischer Protest sei. Die Pressesprecherin der ZHdK vermutete, laut Medien, dahinter eine Reaktion auf die Ankündigung der Schulleitung, die Wände vor der Diplomausstellung in einen repräsentativen, weiss gestrichenen Zustand zu bringen. Von den Medien aufgegriffen, führte dies zu einer zwar berechtigten, aber dennoch reduzierten Diskussion um die Sterilität und Aneignung des Gebäudes. Zuvor hatte ein Student seine Arbeit an eine, gemäss Reglement, frei bespielbare Wand gekleistert, die jedoch umgehend von der Schulleitung entfernt – laut einigen Kritikern zensuriert – wurde. Wieder konzentrierte man sich im Diskurs auf das Gebäude und die anscheinend «verwöhnten» Studierenden. Leider wurde nur am Rand erwähnt, dass diese Arbeit sowohl die Top-Down-Kommunikation der Schulleitung mit den Studierenden und Dozierenden offenlegte als auch eine Kritik an der bevorstehenden Umstrukturierung des Departements Kunst und Medien und das Verschwinden des Studiengangs Theorie thematisierte. Zum Semesterbeginn hat ensuite bei den Theorie-Studierenden nochmals nachgefragt.
Jana Vanecek: Was stört euch an der Umstrukturierung des Departements Kunst und Medien?
Studierende: Einerseits wurde die Neuorganisation des Studiengangs Kunst und Medien genau so konzipiert, dass er in seiner Struktur und Zusammensetzung keinen Störfaktor für die Ausrichtung der Hochschule auf die Creative Economies darstellt. Bei einem Studiengang wie Design mag eine marktorientierte Ausrichtung sinnvoll erscheinen, bei der Bildenden Kunst jedoch nicht, da hier nicht nur materielle Werte geschaffen werden. Andererseits steht die Wegrationalisierung des Studiengangs Theorie exemplarisch dafür, welche Formen der Kritik innerhalb der Gesellschaft zulässig sind und welche nicht. Ausserdem ist es bedauernswert, dass die Leitung den Mut nicht aufbrachte, ein europaweit einmaliges Angebot, wie einen Bachelor-Studiengang für kritische Theorieproduktion, zu fördern. Anstelle dessen wurde das Angebot der Hochschule auf ein angepasstes Mittelmass dezimiert, welches keine Positionen mehr zulässt, die die ökonomische Ausrichtung der Bildungsinstitution und die internen Strukturen kritisieren.
Ich weiss von drei Dozierenden, die kritische Positionen vertraten, die nicht mehr an der ZHdK unterrichten. Die Rede war von Mobbing, nicht erneuerten Verträgen bis hin zu klassisch-neoliberalen Strategien wie mehrjährige Anstellung, basierend auf Zeitverträgen. Sind linkspolitische Inhalte und die Kritik am kreativen Imperativ nun endgültig verschwunden?
So kann man das nicht sagen. Es gibt immer noch Angebote mit solchen Inhalten. Fakt ist jedoch, dass diese zur Hälfte von Personen angeboten werden, deren Verträge bald auslaufen. Obwohl es nun in unserem Departement mehr Einsitz für Studierende in den Entscheidungsgremien gibt, besteht die Befürchtung, dass jene Inhalte nach und nach verschwinden, obschon diese Seminare sehr gut besucht sind, also eine Nachfrage besteht.
Steht dies auch symptomatisch für die Bologna-Reform? Studieninhalte, die keinen direkten ökonomischen Wert erzeugen, werden nach und nach dezimiert. Die Studierenden jagen nur noch ihren ECTS-Punkten nach und haben weder Zeit, sich vertieft mit den Themen auseinanderzusetzen, noch sich zu politisieren; dabei war die Uni immer ein Ort, an dem politisiert wurde.
Ja, die Reform des Bachelors weist tatsächlich einige Parallelen auf. Die Seminare wurden zeitlich gekürzt und geben auch weniger Punkte. Das heisst, man hat mehrere kurze Seminare, also wird einem die Chance auf eine vertiefte Auseinandersetzung erschwert. Alles wird im Schnelldurchgang abgehandelt. Es ist zwar ein sehr breitgefächertes Angebot, das jedoch an Schärfe missen lässt. Man kann alles streifen, aber sich in nichts richtig vertiefen.
Ihr kritisiert die einseitige Orientierung der Bildungsinhalte, aber auch die Kommunikation der Hochschule, die in den Medien die Kunst im Feld der Wirtschaft situiert, ohne sich öf fentlich auch zu ihrem symbolischen Kapital zu bekennen. Ein wenig böse formuliert, könnte man die Befürchtung äussern, dass an der ZHdK Fach- kräfte ausgebildet werden, die inhaltlose, aber gut verkaufbare Dekorationsobjekte für eine wirtschaftliche Elite herstellen.
Das ist nun etwas sehr drastisch formuliert, aber so wie die Hochschulkommunikation und der Rektor im letzten Semester die ZHdK in den Medien repräsentierten, kann man schon das Gefühl bekommen, die Hochschule habe ihren Schwerpunkt darauf gelegt, Leute auszubilden, die vermarktbare Kunst produzieren.
Verbirgt sich hinter dieser Umstrukturierung eventuell auch eine indirekte Entlassungsstrategie? Wie sieht es aus mit den Anstellungsverhältnissen der ehemaligen Vertiefungsleiter und -leiterinnen?
Die Leitungsstruktur wurde komplett neu organisiert. Waren es vorher acht Dozierende mit Leitungsfunktionen, sind es jetzt nur noch drei. Die ehemaligen Vertiefungsleitenden wurden in ihrer Kompetenz auf die Anstellung von Dozierenden herabgesetzt, respektive einige von ihnen sind jetzt sogenannte Praxisfeldverantwortliche, was wohl bedeutet, dass sie Verantwortung übernehmen müssen, aber nicht denselben Handlungsspielraum haben wie bisher. Ob dies eine Auswirkung auf ihre Löhne hat, wissen wir nicht. Viele Dozierende haben sich nachfolgend dem offenen Brief der Studierenden an die Hochschulleitung mit einem eigenen Schreiben angeschlossen, in dem genau diese Befürchtungen formuliert wurden. Das wurde in den Medien so gut wie nie erwähnt. Besonders prekär erscheint, dass es Dozierende gibt, die im Juni noch nicht wussten, in welcher Position sie nach den Semesterferien angestellt sein werden.
Publiziert in der Oktoberausgabe der Zeitschrift für Kultur & Kunst Ensuite.